Am 24. Februar 2022 hat sich unsere Welt verändert. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich die russische Regierung unter Putin gänzlich von einer regelbasierten internationalen Ordnung verabschiedet. Schon vor dem Angriff hat die russische Regierung die Souveränität von osteuropäischen Staaten und Völkern verletzt, sei es in Georgien, Tschetschenien oder seit 2014 auf der Krim. Dabei schreckt die russische Führung auch vor schlimmsten Menschenrechtsverletzungen nicht zurück. Im Krieg gegen die Ukraine ist belegt, dass Russland Kriegsverbrechen wie Massentötung von Zivilist*innen begangen hat und Massenvergewaltigungen als Kriegswaffe einsetzt.
Deutschland steht aufgrund seiner Geschichte und seiner wirtschaftlichen Stärke innerhalb Europas in besonderer Verantwortung. Diplomatische Bemühungen und Sanktionen haben Russland nicht von seiner kriegerischen Expansionspolitik abgehalten. Es ist daher an uns mit unseren europäischen Partnern und der NATO Wege zu finden Demokratie, Menschenrechte und Frieden in Europa zu verteidigen und der Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung zu ermöglichen. Dazu gehören zweifellos auch Waffenlieferungen.
Es steht für mich außer Zweifel, dass das Sondervermögen der Bundeswehr ein wichtiger Schritt ist, um dieser Verantwortung nachzukommen. Besonders unseren Nato-Partnern wie Polen und den baltischen Staaten und unseren EU-Partnern Schweden und Finnland, die durch die russische Politik massiv bedroht sind, sind wir es schuldig, unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr herzustellen und sie gut auszustatten, ist nicht erst seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine notwendig geworden. Die Bemühungen müssen aufgrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage jedoch dringend beschleunigt werden.
Ob das Sondervermögen in der vorliegenden Ausgestaltung jedoch der richtige Weg ist, hat mich bis zuletzt zweifeln lassen. Dass das Sondervermögen ausschließlich in die Bundeswehr investiert wird und keinen erweiterten Sicherheitsbegriff berücksichtigt, halte ich für falsch und anachronistisch. Die hybride Kriegsführung Russlands mit Angriffen auf unsere kritische Infrastruktur macht deutlich, wie wichtig u.a. Cybersicherheit und Energiesouveränität für unsere Sicherheit sind. Die Finanzierung dieser sicherheitspolitischen Interessen wird vom Sondervermögen in dieser Form nicht abgedeckt. Sicherheitspolitik in diesen Zeiten rein militärisch zu begreifen stellt keine Zeitenwende dar, sondern beruht auf veralteten Überzeugungen, die den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht gerecht werden.
Zudem löst das Sondervermögen auch nicht das Problem der ineffizienten Strukturen, die dazu geführt haben, dass die Bundeswehr, trotz komfortabler finanzieller Ausstattung im jährlichen Bundeshaushalt, nicht einsatzfähig ist. Es mangelt an Ausrüstung und Hubschrauber und Gerät sind in schlechtem Zustand. Dieser Missstand muss zügig aufgelöst werden, indem die Verteidigungsausgaben endlich gründlich überprüft werden.
Mit dem Sondervermögen Bundeswehr verabschiedet sich die Ampelkoalition darüber hinaus von dem im Koalitionsvertrag selbst gesteckten Ziel der 1:1-Kopplung. Nämlich der Übereinkunft, dass jeder investierte Euro in Rüstungsausgaben gleichwertig in die Entwicklungszusammenarbeit investiert werden muss. Grade vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Versorgungslage in vielen Ländern und der Destabilisierung von Regierungen aufgrund des Angriffskriegs Russlands und aufgrund der sich verschlimmernden Klimakatastrophe weltweit, ist diese Entscheidung bitter.
Nicht zuletzt kommt hinzu, dass bisher keine konsequente Aufdeckung und Unterbindung rechtsextremistischer Bestrebungen in der Bundeswehr stattgefunden hat und auch die Waffen- und Munitionsverluste bisher nicht mit Nachdruck aufgeklärt wurden. Ich stelle die demokratische und verantwortungsbewusste Haltung der überwältigenden Mehrheit der Dienstleistenden in der Bundeswehr nicht in Frage. Die zunehmenden rechtsextremistischen Vorfälle besorgen mich aber. Ihnen müssen wir konsequent nachgehen und wir müssen ihnen ausnahmslos mit der vollen Härte des Rechtsstaats begegnen. Dafür setze ich mich mit vielen Partner*innen innerhalb meiner Fraktion und der Koalition ein, denn auch diese Strukturen könnten von den erhöhten finanziellen Zuwendungen durch das Sondervermögen profitieren.
Trotz der genannten Zweifel, stimme ich dem Sondervermögen für die Bundeswehr zu. Die verhandelte Einigung mit unseren Koalitionspartnern und der Union scheitern zu lassen wäre in der jetzigen sicherheitspolitischen Situation und gegenüber unseren Nato- und EU-Partnern unverantwortlich gewesen. Zudem befürworte ich, dass das Sondervermögen außerhalb der Schuldenbremse über eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme finanziert wird. So wird sichergestellt, dass es im Bundeshaushalt weiterhin Spielraum für andere wichtige Projekte gibt.
Mit den angesprochenen Problemen werde ich verantwortungsbewusst umgehen. Meine Zustimmung ist zugleich Auftrag für mich in Zukunft unentwegt Verbesserungen in diesen Feldern einzufordern. Dafür setze ich auf die Unterstützung meiner Fraktion, der Ampelkoalition und vieler anderer.