Seit dem überstürzten Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021, wird in den Medien kaum noch über Afghanistan berichtet. Dabei ist die Lage vor Ort weiterhin alarmierend. Viele Menschen befinden sich nach wie vor in größter Gefahr und leben in täglicher Angst. Vor allem Frauen und Mädchen, aber auch diejenigen, die für und mit deutschen Behörden und Organisationen vor Ort zusammengearbeitet haben und sich über Jahre für Menschen- und Frauenrechte und ein freies, demokratisches Afghanistan eingesetzt haben, sind noch immer in Gefahr. Zwar konnten seit der Machtübernahme der Taliban über 45.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden, doch auch drei Jahre später warten noch immer zu viele Menschen auf ihre Ausreise.
Gleichzeitig erlebt das Land eine verheerende humanitäre Katstrophe. Laut Zahlen der Vereinten Nationen sind aktuell 24 Millionen Menschen – also mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung – auf humanitäre Hilfe angewiesen. Große Teile der Wirtschaft sind bereits zusammengebrochen, die Versorgungslage vor Ort ist katastrophal. Die Klimakatastrophe und Erdbeben verschärfen die angespannte Lage zusätzlich.
Wir haben grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen gegenüber den Menschen in Afghanistan. Insbesondere gegenüber den besonders schutzbedürftigen Gruppen:
Ausreisen aus Afghanistan für Schutzbedürftige müssen weiterhin garantiert werden und der Ausreiseprozess muss beschleunigt werden. Dabei muss die gefährliche Lage von Frauen und Mädchen besonders berücksichtig werden. Außerdem müssen wir die humanitäre Hilfe ausbauen, um eine weitere Verschärfung der prekären humanitären Lage vor Ort abzuwenden.
Langfristig müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Seit zwei Jahren arbeiten wir das Scheitern unseres 20-jährigen Engagements in Afghanistan fraktionsübergreifend in einer Enquete-Kommission mit wissenschaftlicher Expertise auf. Gemeinsam haben wir Ursachen für das Scheitern auf deutscher, europäischer und internationaler Ebene herausgearbeitet und unsere Ergebnisse in einem Zwischenbericht veröffentlicht. Auf Grundlage der bisherigen Arbeit entwickeln wir Empfehlungen, um das zukünftige außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Handeln Deutschlands transparenter, krisensicherer und verantwortungsvoller zu gestalten.